Nachlese 2025
Im Festival-Magazin können Sie noch einmal alle ausführliche Künstler-Portaits nachlesen.
Bilder und Impressionen finden Sie in unserem Archiv.
Abschlussbericht von Herrn Paul O. Krick, Saarbrücker Zeitung:
HOMBURG (ic) Mit Brillanz und Überraschungen wie eine Woche zuvor zur Eröffnung, so endeten auch am Feiertag zur Wiedervereinigung die Internationalen Kammermusiktage in Homburg mit einer festlichen Matinee.
Bei freiem Eintritt bis zu 12 Jahren waren auch dieses Jahr einige Kinder im Publikum, so auch der neunjährige Miras aus Bexbach. Nachdem das Vogler Quartett voriges Jahr seine Schule besuchte, hatte es ihm vor allem „der große Stephan“ (Forck) mit seinem Cello angetan. Der ließ sich auch dieses Mal mit seinem kleinen Fan im Saalbau fotografieren.
Als nach dem feinfühligen „Adagietto“ aus der 5. Sinfonie von Gustav Mahler mit dem Pianisten Oliver Triendl und drei Streichern aus dem Vogler Quartett das junge Malion Quartett die Bühne zum Streichquartett des Argentiniers Alberto Evaristo Ginastera betrat, entdeckte der begeisterte Miras auch bei der Cellistin Bettina Kessler überglücklich eine „Kniegeige“. Die Violinen wurden von Alex Jussow und Miki Nagahara gespielt, die Viola von Lilya Tymchyshyn.
Zusammen begeisterten das Malion.Quartett und das gastgebende Vogler Quartett im Oktett Es-Dur op. 20 des erst 16jährigen Felix Mendelssohn- Bartholdy. Mit dessen aufblühender Melodienseligkeit auf 32 Saiten klang das Festival zum 40jährigen Bestehen des Vogler Quartetts unter enthusiastischem Beifall der großen und kleinen Zuhörerinnen und Zuhörer aus.
Es bot in der zurückliegenden Woche wieder viele Überraschungen. Den wegen seiner Vielseitigkeit oft eingesetzten Pianisten Oliver Triendl kannten die meisten bereits aus früheren Festivals. Eine umjubelte Neuentdeckung war hingegen der zwischen Tenor- und Baritonlage, zwischen Liedvortrag und swingender Szene überzeugende Sänger Karsten Schmidt-Hern im Donnerstag-Konzert (über das unsere Kulturseite berichtete). So auch einen Tag zuvor die Mezzosopranistin Sophia Maeno, die kurzfristig für die verhinderte Hagar Sharvit aus Tel Aviv eingesprungene war.
Zwischen ihren dramatischen Eruptionen in der Solokantate „Arianne auf Naxos“ von Joseph Haydn und lyrischen Klagen „zerfloss das Publikum“ zwar nicht gerade „in Tränen“, wie nach der Londoner Uraufführung 1791 im „Morning Chronicle“ zu lesen war, aber es feierte die junge Sängerin und auch das Vogler Quartett im Begleitpart, selbst durch die Tücken der oft wütenden Rezitative der Sängerin, mit lauten Zurufen und donnerndem Applaus. Den hatte sich Sophia Maeno auch in den Gesängen von Ottorino Respighi, Claude Debussy und Ernest Chausson redlich verdient.
Nach dem Abschlusskonzert bedankten sich Dr. Gudula Zimper als Vorsitzende und Primarius Tim Vogler bei ihrem treuen Publikum, für die fleißige Hilfe aus dem Kreis der Kammermusikfreunde Saarpfalz e. V. und bei den vielen Förderern, ohne die das Festival nicht zu finanzieren wäre. Sie verwiesen bereits auf die Internationalen Kammermusiktage 2026, die vom 27. September bis zum 3. Oktober geplant sind, dann vielleicht wieder unter dem festlichen Bühnenbild von Walter Jahreis und zur magischen Lichtinstallation von Jochen Maas und mit vielen, vielen begeisterten Kindern wie Miras.
Kritik zum Eröffnungskonzert von Herrn Paul O. Krick, Saarbrücker Zeitung:
HOMBURG (ic) „Lebhaft, brillant und effektvoll“, wie im Festivalmagazin 2025 angezeigt, wurden die Internationalen Kammermusiktage am vergangenen Samstag vom Vogler Quartett und dem Pianisten Oliver Triendl im Homburger Saalbau eröffnet.
In ihrer Begrüßungsrede freute sich Dr. Gudula Zimper als Vorsitzende der veranstaltenden Kammermusikfreunde Saarpfalz über den regen Besuch und dankte den vielen Sponsoren wie auch der Kreissparkasse Saarpfalz, die das Eröffnungskonzert finanziell ermöglichte. Im festlichen Panorama der Staatsoper Budapest als Bühnenbild erklangen mit Tim Vogler und Frank Reinecke (Violinen), mit Stefan Fehland (Bratsche) und Stephan Forck (Cello) zunächst die Quartette Nr. 1,2,3 und 11 aus dem 1865 entstandenen Zyklus „Zypressen“.
Wie im gleichnamige Liederzyklus so bannte der junge Komponist auch in seinen Quartettsätzen die unglückliche Liebe zur wohlhabenden Goldschmied- Tochter Josefina in ergreifende Töne. Mal sehnsuchtsvoll, mal aufbegehrend, einem vergeblichen Traum nachtrauernd und zuletzt in einem „Scherzando“ sich befreiend folgten die Kammermusiker einfühlsam den Seelenregungen des tschechischen Romantikers.
In den Pausengesprächen wurde deutlich, wie sehr das gerade gehörte 3. Streichquartett des lettischen Komponisten Péteris Vasks aus dem Jahre 1995, aber auch seine einzigartige Wiedergabe durch die „Voglers“ die Phantasie die Zuhörerinnen und Zuhörer angeregt hatte. Zwischen den entrückten Klangvisionen der beiden Ecksätze glaubte ein gerade vorüberflanierender Maler begeistert, das Raunen und Rascheln, aber auch das Summen und Surren von Insekten und Kleintieren im farbigen Dämmerlicht eines Waldes vernommen zu haben.Der starke Applaus dankte den vier Streichern für die mutige, überaus anregende Interpretation des postmodernen Werkes.
Abschließend dann noch das musikalisch so anspruchsvolle wie auch virtuose Klavierquintett Es-Dur op. 44 von Robert Schumann. 1842 entstanden, war der perlende Klavierpart seiner jungvermählten Gattin Clara zugedacht, im Zusammenspiel mit dem Streichquartett des Leipziger Konzertmeisters Ferdinand David. Ohne Scheu vor den berühmten historischen Vorbildern glänzten der Pianist Oliver Triendl und das Vogler Quartett im geradezu heroischen Kopfsatz „Allegro brillante“, ließen die Trauer im langsamen Satz „In modo d’una marcia“ nachfühlen, erlöst von jener bezaubernden, ins Dur gewendeten Eingebung, die „Molto vivace“, doch ohne jeglichen Patzer zu den gefürchtet auf- und abjagenden Skalen im „Scherzo“ überleiteten. Was für ein Klangrausch! Er gipfelte noch einmal auf im Finalsatz „Allegro ma non troppo“ mit seinem machtvollen Fugato und endete in den Bravorufen und im stehenden Applaus des begeisterten Publikums.
Nach der Brillanz auf den Saiten von Streichinstrumenten und eines Konzertflügels im Eröffnungskonzert entführte das noch junge Blechbläser Quintett „Karidion Brass“ seine begeisterte Zuhörerschaft am Sonntagabend in eine ganz andere und im Saalbau selten zu erlebende Klangwelt. Jasmin Ghera und Johann Prinz (Trompeten), Mathias Stelzer (Horn), José Rabasco (Posaune) und David Endre (Tuba) hatten ihr Vorspielprogramm übersichtlich in einen französischen und einen amerikanischen Teil gegliedert. Im barock-festlichen Prunk eines „Marche Royale“ von Jean Baptiste Lully schien der Sonnenkönig persönlich einzuziehen, um auch später entstandenen Werken zu lauschen wie der Suite aus „Dardanus“ von Jean-Philppe Rameau oder der „Französischen Suite“ eines unbekannten Komponisten. Durch die Wendigkeit beider Trompeten selbst in höchsten Lagen und wegen des angepassten Zuspiels der tiefen Instrumente vermisste man die originalen Instrumente in diesen Barockwerke kaum, auch nicht, als „Der Bürger als Edelmann“ von J. B. Lully den Besuch in der französischen Musikgeschichte beendete.
Vor der Überfahrt in die amerikanische Bläsertradition lockte der französische Romantiker Camille Saint-Saens noch mit einem Besuch im Tier- Zoo, wo alle Tiere seinen berühmten „Carnaval des Animaux“ feierten. Toll, wie auch beim Klang von nur fünf Blechbläsern die „Fossilien“ herum zu kriechen versuchten, der „Eléphant“ in der Tuba herzutrampelte, die munteren Fische durch ihr „Aquarium“ glitten und alle sich im Wirbel des „Finale“ mit ihren Erkennungsmotiven verabschiedeten. Der berühmte „Schwan“ versuchte seinen elegischen Gesang mit der Zugposaune anzustimmen, doch dabei vermisste man schon ein bisschen das Cello, das in der üblichen Besetzung dazu ausersehen ist. Der vor den Nazis geflüchtete Kurt Weill wurde zunächst in Paris aufgenommen, wo als Bühnenmusik zu „Marie galante“ zwischen dem Marsch eines „Roi d’Aquitaine“ und einem „Marsch der Panama-Armee“ die „Chancons de Quais“ entstanden. Kein Zweifel, dass diese „Lieder auf dem Bahnsteig“ bereits seine weitere Flucht ins amerikanische Exil erahnen lassen, wo die „Scéne au Dancing“ auf ihn wartete. Aus dem Übermut des wenig angepassten Kurt Weill und aus der Blechbläser Interpretation der Karidion Brass war hier und da dennoch ein wenig Nachdenklichkeit über das Schicksal so vieler deutscher Künstler in unseliger Zeit vor achtzig, neunzig Jahren herauszuhören.
Davon unbelastet war das originale Blechbläser Quintett von Clint Needham zu seinem „Circus“ (2004), in dem die „Clowns“, der wendige „Schlangenmensch“ und „The Ringleader“ als Manegenleiter das humorvoll-quirlige Treiben unter dem Zirkuszelt aber auch im Karidion Blechbläser Quintett bestimmten. Eine Meisterleistung der noch jungen Musiker! Die wollten sich eigentlich mit dem „Ricochet“ von Kerry Turner verabschieden. Aber nach den effektvollen „Querschlägen“ vieler Synkopen gegen jegliches Takt- und Harmoniegefühl wollte die Begeisterung des Publikums kein Ende nehmen. Die fünf jungen Künstler bedankten sich „zünftig“ mit zwei wahren Ohrwürmern, mit einem „Blues“ von Thomas Gansch, vor allem mit dem durch Frank Sinatra weltberühmt gewordenen Song „New York, New York“ von John Kander.
Das überaus lesenswerte Festspiel-Magazin versprach für das dritte Konzert am Montagabend einen „Kühnen Brückenschlag zwischen Hochklassik und Moderne“. Das Vogler Quartett erfüllte das Versprechen und betrat die „Brücke“ zunächst mit dem letzten vollendeten Streichquartett F-Dur op. 77/2 von Joseph Haydn, das für seinen Förderer Fürst Lobkowitz 1799 noch entstand. Die kleine Neckerei zwischen den Geigern Tim Vogler und Frank Reinecke zuvor ließ erahnen, dass auch Stefan Fehland an der Viola und Stephan Forck mit dem Cello sich auf die Wiedergabe von Haydns Spätwerk freuten. So brillierten die vier zwischen den Themen des Kopfsatzes mit munterem Laufwerk, rückten das nach „Presto“-Vorschrift geschwinde „Menuet“ in seiner ländlerartigen Derbheit hörbar in die Nähe von Haydns damaligem Schüler Beethoven, ließen im Schreittanz von erster Violine und Cello des „Andante“, aber auch in seinem Variationen- Geflecht aufhorchen und provozierten auch mit dem vorwärts stürmenden Laufwerk des „Finale“ sowie in seinen technischen Finessen den begeisterten Applaus des Publikums.
Der „Brückenschlag“ ins 20. Jahrhundert führte zunächst zu Erich Wolfgang Korngold, der vor seiner Flucht nach Amerika 1933 noch sein 2. Streichquartett Es-Dur op. 26 vollenden konnte, bevor er in der Neuen Welt vor allem als Filmkomponist zweimal mit dem „Oscar“ ausgezeichnet wurde. Dem Vogler Quartett ging es bei seiner Wiedergabe weniger um die Darstellung thematischer Prozesse wie zuvor bei Haydn als vielmehr um Klangzustände, die es im Kopfsatz „Allegro“ mit tiefen und hohen Klangregistern meisterhaft nachzeichnete. Das „Allegretto con moto“ bekam gar den Anstrich eines scherzhaften Gassenhauers, den man hätte nachpfeifen können, gefolgt von den Klangvisionen des „Lento“ und einem vergnügten „Tempo di Valse“, das sich zum Ende hin zu einer wahren Walzer-Apotheose aufbäumte. Mit lautstarken Zurufen zeigte das Publikum seine Bewunderung für das Vogler Quartetts und rief es vor der Konzertpause mehrmals auf die Bühne zurück.
Ganz anders nach dem 1976 vollendeten Klavierquintett des unter Stalin und auch danach in der Sowjetunion gemiedenen Wolga-Deutschen jüdischer Abstammung Alfred Schnittke. Als das fünfsätzige Quintett im Gedenken an Schnittkes kurz zuvor verstorbener Mutter mit Oliver Triendl im Klavierpart und mit dem Vogler Quartett mit der finalen „Pastorale“ wie eine leise Erinnerung an glücklichere Zeiten verklang, als die immer wieder zu hörenden mütterlichen Herzschläge leise verstummten, wagt im Saalbau Minuten lang niemand eine Hand zu rühren. Doch auch solche Betroffenheit zu verursachen war eine Meisterleistung der fünf Kammermusiker, etwa im Kopfsatz „Moderato“, wo die Herzschläge auf hohen Klaviertasten bereits merklich leiser wurden, so auch im „Walzer“, den Schnittkes Mutter so sehr liebte, hier mit den Erkennungstönen von BACH, mal motivisch verarbeitet, mal in Klangtrauben verdichtet. Bei aller Nachdenklichkeit erntete das Klangempfinden und die Klangdichte bis in die Schichtung mit Vierteltönen doch allgemeine Bewunderung..
